Rund um das Thema Polsterei in der Raumausstattung von Bongartz
6 Fragen an Dieter von Bongartz
Zusammen mit deiner Frau Birgit führst du euren Handwerksbetrieb nun schon in vierter Generation. Dein Urgroßvater gründetete den Betrieb vor mehr als 100 Jahren. Wie muss man sich seine Arbeit damals vorstellen?
Als gelernter Sattler und Polsterer gründete mein Urgroßvater Johann von Bongartz im Jahr 1919 den Betrieb in Krefeld. Da Bezugsstoffe in dieser Zeit, kurz nach dem 1. Weltkrieg, rar waren wurden Sofas und Sessel von ihm mit einfachen Wolldecken bezogen. Zu Fuß, nur mit einer Sackkarre, holte er die Möbelstücke im Krefelder Raum bei seinen Kunden ab und brachte die fertig bezogenen Stücke auf diese Weise auch wieder zurück. Unser heutiges Geschäft hat seine Ursprünge also im Polstereihandwerk und erst in späteren Jahren kamen weitere Tätigkeitsfelder, wie z.B das Nähen von Fensterdekorationen, hinzu.
Durch die Verwendung neuer Werkstoffe und Arbeitsmittel hat sich die Arbeit des Polsterers in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert.
Wie wirkt sich diese Veränderung auf die Arbeit des heutigen Polsterers aus, im Vergleich zu der Arbeit von vor 100 Jahren?
Früher gab es z.B. keine Tacker und keine Kompressoren. Die Stoffe wurden durch einzelne kleine Nägel fixiert und nicht, wie heute, mit Hilfe von Druckluft und Tackerklammern. Diese Arbeit war extrem aufwendig und auch sehr zeitintensiv. Meine Mutter besitzt noch das Meisterstück meines Vaters aus dem Jahr 1962. An diesem Polstersessel lässt sich noch sehr schön die handwerkliche Leistung erkennen. Eine andere große Veränderung ist die heutige Verwendung von Schaumstoffen in unserem Handwerk.
Früher wurden Naturmaterialien wie z.B. afrikanische Palmfaser oder Hanffasern für die Herstellung eines Polsters genutzt. In vielen aufwendigen Schritten wurden Federn geschnürt und Polster mit Naturfasern hergestellt. Dazu wurden Fäden per Hand gewachst und schließlich das Möbelstück mit Stoff bezogen. Diese Arbeit war körperlich anstrengend und erforderte auch viel Geschick. Heutzutage werden Schaumstoffe verklebt und es werden maschinell vorgefertigte Federkerne verewendet. Traditionelle Polsterarbeit dieser Art ist heute nicht mehr bezahlbar und wird auch den Auszubildenden in dieser Form nicht mehr beigebracht.
Die häufigste Frage, die sich Kunden im Vorfeld stellen, lautet: Lohnt sich eine Neupolsterung überhaupt, oder kaufe ich besser eine neues Möbelstück? Wozu rätst du unentschlossenen Kunden in diesem Fall?
In diesem Fall bin ich immer froh, wenn Kunden sich bereits in Möbelhäusern darüber informiert haben, ob es ähnliche Möbelstücke gibt, in welcher Preiskategorie diese liegen und wie deren Sitzkomfort ist. Wenn das der Fall ist, weiß ich das ein Neukauf keine wirkliche Alternative für sie darstellt und die Kunden sind offen für eine Beratung hinsichtlich Aufpolsterung. Dazu kommt natürlich auch die emotionale Komponente, z.B. wenn es sich um ein Erbstück handelt. Mit einem neuen Stoff lässt sich ein älteres Möbelstück sehr schön an den eigenen Wohnstil anpassen und bringt oftmals noch mehr Charakter in den Raum. Manchmal ist es aber auch so, dass eine Aufpolsterung und ein neuer Bezug weit teurer wären als ein neues Möbelstück. In diesem Fall muss der Kunde dann abwägen, ob der Erhalt des alten Stückes im Verhältnis steht zu einem Neukauf.
In euren Geschäften in Schiefbahn und Viersen führt ihr eine große Auswahl an Stoffen von namhaften Herstellern. JAB, Zimmer und Rohde, Saum und Viebahn, Designers Guild, um nur ein paar zu nennen. Für Kunden ist diese Menge an Angebot oft etwas überfordernd. Mit welchen Fragen schafft ihr es die Auswahl etwas einzugrenzen, um mit den Kunden den geeignetsten Stoff zu finden?
Die erste Frage stelle ich nach dem Bedarf bzw.nach dem Zweck, den der Stoff erfüllen soll. Also z.B. in welchem Raum das Möbelstück stehen soll. Dann versuche ich herauszufinden welche Stoffart der Kunde oder die Kundin bevorzugt. Es gibt Baumwollfans, für die kommt keine andere Faser in Frage. Oder eine synthetische Faser ist erforderlich, da das Thema Reinigung und Pflege einen hohen Stellenwert hat. Oder auch extravagantere Stoffe, z.B. Velours, die für Kunden interessant sind, die dem Möbelstück ein luxuriöses Aussehen verleihen möchten. Danach kann dann noch gezielter auf Farbe und Muster eingegangen werden.
Ein Kunde oder eine Kundin möchte ein Sofa von euch neu beziehen lassen. Wie läuft dieser Prozess in der Regel ab?
Oft ist es so, dass Kunden sich bereits im Vorfeld, über die Firmenhomepage, einen ersten Eindruck von uns verschaffen. Es folgt dann meist ein Anruf und wir vereinbaren einen Termin beim Kunden, um das Polstermöbel anzuschauen. Am Telefon kann ich bereits erfragen, ob es sich vielleicht nur um eine Reparatur handelt, oder um was für ein Möbelstück genau es sich handelt. Manchmal erhalte ich auch bereits ein Foto über e-mail mit genauen Angaben. Das erleichtert mir die Einordnung und ich kann gezielt 2-3 Stoffe mitnehmen, um den Kunden schon eine gewisse Vorstellung zu geben. Vor Ort messe ich das Möbelstück aus und kann auch sofort eine ungefähre preisliche Angabe machen, ausgehend von einem durchschnittlichen Stoffpreis. Im Geschäft ist Birgit aber dann in der exakten Stoffauswahl behilflich und sucht mit den Kunden zusammen nach dem optimalen Bezugsstoff. Bei Auftragserteilung holen wir das Stück beim Kunden ab und beginnen mit der Arbeit in unserer Polsterwerkstatt. Die Kunden sind eingeladen während der Arbeit an ihrem Möbelstück in der Werkstatt vorbeizuschauen, um sich ein Bild vom Arbeitsprozess zu machen. Das finden viele sehr spannend und nehmen dieses Angebot gerne wahr. Normalerweise dauert es etwa 14 Tage bis wir das fertige Polstermöbel wieder ausliefern können.
Welcher Auftrag für die Polsterei ist dir in besonderer Erinnerung geblieben?
Eine Kundin brachte ein Sofa in Form einer Tigerente zu uns, welches sie von einer Kollegin geschenkt bekommen hatte. Sie besaß bereits ein ganz ähnliches Sofas und nun hatte sie endlich ein zweites dieser Art. Es wurde recht aufwendig in Stand gesetzt und mit einem neuen schwarz-gelben Tigerentenstoff bezogen. Das war tatsächlich eine der kuriosesten Polsterarbeiten in unserer Werkstatt.